Mittwoch, 15. März 2023

 

Aus dem Nachlass

von

Landammann Josef Alois Müller-Landolt

 

25. April 1871 bis 12. Dezember 1967

  

Dieser Tage hat mir Georges Müller aus dem Nachlass seines Grossonkels Land-ammann und Gemeindepräsident Josef A. Müller-Landolt die folgende köstliche Reminiszenz aus dessen Schrifttum zugestellt.

Gerne "verewige" ich diese Geschichte hier, damit sie auch anderen zugänglich wird.

Landammann Josef A. Müller-Landolt

 

 

Die Festsuppe

 

von

 

Josef Müller-Landolt

 

Dieses Ereignis hat meine liebe Grossmutter(1) vor beachtlicher Zeit ihrer Tochter, meiner Mutter(2) erzählt.

 

Nach den Urbanisierungsarbeiten des Gebietes der verlassenen Linth im Schärhaufen und Autschachen wurde dieses Werk mit einem Segensspruch vom damaligen Pfarrer Müller(3) festlich begangen.

 

Von verschiedener Seite erschienen Delegationen, so von Glarus, Walenstadt, Niederurnen, um der Eröffnung beizuwohnen. Zudem feierte man die wiederholte Bekleidung des berühmten Landammanns Franz Karl Hauser(4) mit der Landammannswürde. Von allen Häusern flatterten Fahnen und die Schüler aus dem zur Schule umgewandelten Freulerpalastes freuten sich des unerwarteten Feiertages.

 

Im Hause des Landammanns herrschte fieberhaftes Leben. Ein ganzer Stab an hohen Offizieren, geschmückt mit ihren Ordenszeichen mühten sich, die Dame des Hauses zu begrüssen und zum Ereignis zu beglückwünschen. Noch lebhafter ging es in der Küche zu. Wo die dicke energische Magdalena Gallati (5) ihr Amt betrieb und den mithelfenden Mägden Weisung gab, Gemüse und Bestecke schön bereit zu halten.

 

Und unter dem weiten Kamin brodelte schon auf dem Herd die festliche Suppe.

 

Und da erhob sich plötzlich ein entsetzlicher Schrei – eine Schlange, eine Schlange!

 

Vom Rande des Kamins  löste sich tatsächlich eine junge pralle Natter, drehte sich und fiel herunter und gerade in die herrliche Suppe.

 

Da plötzlich ein entsetzlicher Schrei! Wo, was sagst du da? Eine Schlange? Entsetzte sich die Köchin. Mein Gott was soll ich machen? Sie nahm die Kelle und forschte in der dampfenden Brühe und da fand sie wirklich das junge, glatte Tier, nahm es bei der Schwanzspitze, öffnete das Fenster und warf den ungebetenen Gast in die Hofstatt.(6)

 

Ja warum habt ihr ein Storchennest auf dem Haus? Ein Storch hat das Tier verloren.

 

Und Magdalena sagte: Jetzt ist alles verloren, alles kaputt: Ein Stück allerbestes Rindfleisch, was soll ich tun? Dann nahm sie einen kleinen Becher, schöpfte und kostete ihr Kunstwerk. Doch, wir tischen alles auf, sie schmeckt gar nicht so schlecht, wie sie befürchtet hatte.

 

Dann wandte sich die energische Magdalena zu den Mägden und fuchtelte mit ihren bekrallten Händen vor ihren Augen umher. Es wird doch aufgetischt: Das sage ich Euch: Wenn ein Sterbenswörtchen von dem auskommt, was passiert ist, so erwürg’ ich euch! Die Mädchen versprachen Himmel und Hölle ver-schwiegen zu sein.  Die Suppe wurde in silbernen Schüsseln serviert und er-fuhr höchstes Lob. Ja, die Hausherrin frug Magdalena; woher hast du denn das Rezept. Du musst es mir geben! Die aber blieb schweigsam über ihre Kochkunst und schmunzelte nur im Geheimen.

 

Die ganze Bevölkerung hatte die grösste Freude am gelungenen Werk der Linth-Umleitung (7), wodurch viel Land zur Nutzbarmachung gewonnen wurde und die Gesundung der Gegend zur Folge hatte, - ein Segen für unser Dorf und das grosse, früher verseuchte Gebiet.                                     

 

                                           J. M.-L.   

 

Anmerkungen;

    

(1) Grossmutter Maria Appollonia Gaudentia Müller-Klein von Weesen,   

     Hebamme,  * 1787 Aug.4. + 1855 Jan.15. (Genealogie Müller Nr. 303)

 

(2) Mutter Magdalena Elisabeth Müller-Landolt * 1842 März 21. + 1901 Apr.15.         Gerbistrasse    (Genealogie Müller Nr. 452)  

 

(3) Vermutlich: Pfarrer Franz Anton Müller, von Näfels, Sextarius, *28. September

      1774,  erwählt 1823, gestorben 22, März 1837; war Kaplan in Uznach 1804-

      1809, Pfarrer in Flums 1814-1823, hielt am 13. Februar 1831 bei der Beerdi-

       gung von General Niklaus von Bachmann die Grabrede. (Braun Blasius:

       Festschrift zum goldenen Priesterjubiläum des HH. Meinrad Schönbächler,

       Pfarrer und Domherr Näfels. 29. Juni 1920,  Seite 11)

 

(4)  Landamann Franz Karl Hauser: Es dürfte sich um Landammann Fridolin

       Josef Johann Nepomuk Aloisius Hauser von Näfels handeln * 9. September

       1759, + 15. Dezember 1832 in Näfels, im Dorf an einem Schlag, während er

        sein Morgengebet auf den Knieen verrichtete.

  

        Dom. Capitän, Major, Oberst. 1826-1828 und 1831-1833 Landammann.

        1814 eidgenössischer Staatsschreiber (erster !). Er figuriert auch als eidgenössischer

        Staatsschreiber anno 1814-25 in der Einkaufsurkunde 1821 seines Sohnes Franz Carl

        Gustav Joh. Nepomuk von Rheinau. Vide Gesch.des Landes GL II von Jakob Winteler,

        fol.411, Bild von F.J.A. Hauser. 1803-1813 war Hauser fürstlicher Adjunkt des eidge-

        nössischen Landammanns, vide Dändlikers Schweizer Geschichte Bd.III fol.477. 1

        1814 eidg. Oberkommissär in bischöflich baslerischen Landen. Ober=Kommandant

        der nach Veltlin, Chiavenna, Bormio beorderten Truppen. 1825 Landesstatthalter,

        Chronik Melch. Schuler fol.442; hist.Jb.21 fol.84. Dr. E.Buss Kunst fol.88.  Vide auch

        G. Heer neuere Glarner Gesch. und Schweizer Gesch. fol.11-55; hist.Jb.6 fol.28; 29

        fol.32.  (Genealogie Hauser Nr. 124)

 

(5)    Magdalena Gallati: war in der Genalogie nicht auszumachen

 

(6)   Hofstatt: Rothaus, Giessenbrücke. Vermutlich spielte sich die Szene im Landammen-

        haus in der Hofstatt ab, erst später hatte er besagte Landammann das Haus im

        Dorf bezogen.

 

(7)   Bei der "Linth-Umleitung", die nach Abschluss des Escherkanals von Mollis direkt in

        den Walensee (1807-1811) wurde im "Schärhaufen" Neuland gewonnen, das ver-

        mutlich viel später neue eingeweiht wurde.